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  • Plane deine Reisen vor der Mondpause

    Glückskekse, Wimpernwünsche, Tarotkarten, Horoskope – alles der gleiche Schwachsinn? Kolumnistin Sophie hat für zehn Tage ihr Horoskop gelesen und dabei eine neue Sicht auf ihren Alltag gewonnen.

    Mit dem Beginn meines Studiums im Oktober lernte ich meine Astrologie-vernarrte beste Uni-Freundin kennen. Seitdem bekomme ich regelmäßig Sternzeichen-Memes auf Instagram zugeschickt und darf mir Sätze wie „Lass die Finger von dem, der ist Löwe“ oder „Das ist so ein typisches Skorpion-Verhalten von dir“ anhören. Ab und zu schickt sie mir auch mein Wochen-Horoskop, woraus die Idee für dieses Selbstexperiment entstanden ist: Zehn Tage lang habe ich täglich mein Horoskop gelesen.

    Kolumnistin Sophie

    Ob Kolumnistin Sophie jetzt öfter auf ihre Sterne hört?

    Bevor ich jedoch von wütenden Wassermännern und launischen Löwen mit Beschwerdebriefen bombardiert werde: Nein, ich setze Horoskope nicht mit allen anderen Aspekten der Astrologie gleich. Im Gegenteil, nach intensiver Auseinandersetzung kann ich sagen, dass mein Sternzeichen Skorpion in Verbindung mit den anderen Kombinationen der zwölf Häuser, Planeten und Zeichen sogar recht gut zu mir passt: Ich handle oft sehr intuitiv und instinktiv, würde mich als empathisch bezeichnen und habe eine starke Beziehung zu meiner Familie – wie sonst erklärt sich, dass ich trotz Studium in Leipzig noch so oft nach Hause in mein brandenburgisches Dorf fahre? Letztes Jahr war ich sogar mal bei einer astrologischen Beratung: Nachdem die Astrologin, die auch Psychologin ist, mein Geburtshoroskop auseinandergenommen und meine tiefsten Charakterzüge offenbart hat, fühlte ich mich ganz nackt. Und ja, es sind auch ein paar Tränen geflossen – diese Überemotionalität liege im Übrigen daran, dass der Mond bei mir im Tierkreiszeichen Widder steht. Ich glaube also schon, dass man sich selbst über Astrologie ganz gut kennenlernen kann, wenn man sich darauf einlässt.

    Bei Horoskopen hingegen wird all das über den Haufen geworden und vermittelt, es gebe zwölf verschiedene Typen an Menschen und diese Typen sammeln alle die gleichen Erfahrungen. Dennoch ist das regelmäßige Horoskoplesen bei vielen noch immer ein „guilty pleasure“ – so richtig glaubt niemand daran, was die Redakteur*innen, die zum Beispiel bei Wunderweib in der Redaktion sitzen, sich für uns ausdenken, aber man liest es trotzdem, zum Spaß.

    In den ersten fünf Tagen habe ich also mein Horoskop immer abends gelesen, reflektierend sozusagen. Am ersten Tag hat mein Horoskop mir geraten, meinem Fernweh nachzugeben und eine Reise zu buchen – aber vor der Mondpause, die um 13:45 Uhr beginnt! Überraschend konkret – und überraschend treffend: Zufällig habe ich an jenem Vormittag meinen Flixbus nach Köln für das Wochenende gebucht. Zwar habe ich dort gearbeitet und keinen Urlaub gemacht, aber dennoch stand es eins zu null für das Horoskop. Am nächsten Tag habe ich abends gelesen, dass ich mehr Sport hätte machen sollen. Schockiert, denn ich hatte keinen Sport gemacht, las ich noch mein Horoskop auf einer anderen Seite und: Entwarnung! Zufällig stand nämlich dort, dass ich es mit dem Sport nicht übertreiben soll. Im Nachhinein kann man sich also auch manchmal aussuchen, welches Schicksal zutreffender ist, wie praktisch! Am Wochenende wurde es leider weniger konkret, ich wurde mit pauschalen Sprüchen wie „Konflikte können nun erfolgreich gelöst werden“ und „Sie dürfen sich über glückliche und wegweisende Begegnungen freuen“ abgewimmelt. Schade eigentlich, denn vor der Nahtoderfahrung, beinahe von einem von einer Windböe erfassten 90 Kilogramm schweren Messestand-Zelt erschlagen worden zu sein, wäre ich gerne gewarnt worden.

    In der zweiten Hälfte meines Selbstexperimentes habe ich mein Horoskop jeweils am Morgen gelesen und versucht, es während des Tages im Hinterkopf zu behalten. Das hat nicht immer gut funktioniert. Hätte ich nämlich auf mein Horoskop am Donnerstag gehört („Streit und Ärger können vorkommen“) hätte ich ja wissen können, dass unsere neue Ausgabe von student! zu früh geliefert werden würde und hätte mir den Sprint ins Büro sparen können. Am Nachmittag aber könnte man fast behaupten, mein Horoskop hätte mir zu einer guten Mahlzeit verholfen. Mit dem Hinweis „ich solle mein Ding durchziehen, ohne Wenn und Aber“, habe ich hartnäckig aus den wenigen verbleibenden Zutaten in meinem Kühlschrank eine Delikatesse gezaubert. Schließlich wurde ich davor gewarnt, mich am Abend nicht allzu sehr zu verausgaben. Hätte ich meine Verabredung mit Freunden auf eine Mate im Park abgesagt, hätte ich diesen Hinweis vorher gelesen? Vermutlich nicht, auch wenn die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte natürlich sehr anstrengend sein kann.

    Mein Fazit aus der ganzen Sache: ob man das Horoskop morgens oder abends liest und ob man an die Voraussagen glaubt oder nicht, man erlebt seinen Alltag ganz anders. Ich zumindest bin viel aufmerksamer und bewusster durch den Tag gegangen und ich finde, das sollte man auch ohne Horoskope öfter tun. Außerdem ist es schön, den Tag abends nochmal Revue passieren zu lassen, anstatt schon mit bestimmten Erwartungen in den Tag zu starten. Dennoch muss man die Aussagen schon sehr biegen, um einen Zusammenhang zum eigenen Erleben zu finden.

    Donnerstagnachmittag, als diese Kolumne entstanden ist, wurden mir übrigens gute Ideen und witzige Einfälle prophezeit. Das, liebe Leser*innen, könnt wohl nur ihr entscheiden.

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