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  • Wahn und Visionen eines Künstlers

    Künstlerbiografie trifft auf Naturmystik: Das Drama „Van Gogh – Auf der Schwelle zur Ewigkeit“ beleuchtet den tragischen Lebensweg eines großen Malers der Moderne.

    Du hast den grauen deutschen Winter nur mühsam überstanden? Hast dich nach der Wärme des Südens gesehnt? Keine Sorge, das steht in bester Tradition mit zahlreichen Künstlern, die es im vernebelten Norden nicht länger ausgehalten haben, allen voran Vincent van Gogh, dessen letzte Lebensjahre nun auf der Kinoleinwand thematisiert werden. Auch dieser verarmte holländische Maler (Willem Dafoe) hat 1888 die Nase voll vom winterlichen Paris und entscheidet sich zu fliehen, so wie auch sein rebellischer Malerkollege Paul Gauguin (Oscar Isaac).

    Ihn verschlägt es nach Arles im mediterranen Süden Frankreichs. Von dem bisschen Geld, das sein Bruder Théo (Rupert Friend), ein erfolgreicher Kunsthändler, ihm zusteckt, führt Vincent ein bescheidenes Leben. Tagtäglich wandert er hinaus in die reiche provenzalische Landschaft und streift auf der Suche nach Motiven zwischen Sonnenblumen und Steinbrüchen umher. Doch Wahnzustände und Trunksucht lassen ihn nicht los; die Stadtbewohner halten ihn für einen gefährlichen Irren. Da trifft es sich gut, dass sein Freund Gauguin zu ihm stößt, ihn aufrüttelt, mit ihm malt und diskutiert. Umso schwerer trifft van Gogh dann die plötzliche Abreise des aufstrebenden Gauguin, der es in der Provinz schon bald nicht mehr aushält.

    Eine tiefe Bruderliebe verbindet Vincent mit Théo (Rupert Friend), der sich trotz dessen psychischen Problemen um ihn kümmert.

    Théo (Rupert Friend) besucht seinen Bruder Vincent (Willem Dafoe) im Krankenhaus.

    Van Gogh hat wie wenige andere das moderne Stereotyp vom Maler geprägt: ein Außenseiter, ein verkanntes Genie, das sich selbst für seine Vision völlig aufopfert. Ein biographisches Porträt wiederum steht und fällt noch mehr als andere Filme mit dem Können seines Hauptdarstellers. Willem Dafoe hat sich in „Auf der Schwelle der Ewigkeit“ seiner Oscar-Nominierung als würdig erwiesen und seinen Ruf als eindringlicher Charakterdarsteller bestätigt. Auf beeindruckende Weise geht er völlig in der Zerrissenheit und Getriebenheit des Malers auf. Die Oscar-Nominierung für Dafoe war daher vollauf gerechtfertigt.

    Die Handkamera-Aufnahmen zu Beginn des Films irritieren zwar zuweilen, aber später arbeitet Regisseur Julian Schnabel mit seinen weiten, weichlichtigen Landschaftsaufnahmen der Provence auch die spirituelle Dimension von Van Goghs Werk heraus, ergänzt durch Vincents häufige Grübeleien über Kunst und die Welt. Der historische Van Gogh war durchaus religiös. Der Film spiegelt das wider, indem seine Beschäftigung mit der Landschaft fast als eine Art Naturmystik vermittelt wird: das Malen – ein schöpferischer Akt der Sinnsuche.

    ‚Ich male, damit ich nicht mehr denken muss‘: Für den Maler Vincent van Gogh (Willem Dafoe) ist die Kunst alles.

    Vincent van Gogh versucht als Maler seine Vision von der Welt auf die Leinwand zu bringen.

    Dennoch bleibt er ganz tragische Gestalt, wird von der Welt immer wieder zurückgestoßen. Ein Priester (Mads Mikkelsen) fragt ihn, von seinen Bildern angeekelt: „Warum geben Sie vor, Maler zu sein?“ An Dafoes gekonnter Darstellung sieht man, wie sinnlos diese Frage an Van Gogh bleiben muss. Als ob er eine Wahl hätte, Künstler zu sein oder nicht. Für ihn ist es seine einzige Beziehung mit einer tristen Welt. „Ich male, weil ich nicht mehr denken will.“ Stärker und stärker tritt daher gegen Ende auch der Kummer als Ursprung seiner Kunst in den Vordergrund. Wie aus tiefer Traurigkeit und Leiden des Künstlers die farbenkräftige, lebendige Schönheit seiner Kunst hervorgegangen ist, die bis heute überdauert, das bringt dieser Film eindringlich auf die Leinwand.

    Ab 18. April im Kino

     

    Fotos: DCM

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