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  • Tut weh und trotzdem gut

    Liebe ist eine radikale Grenzerfahrung, ein sich gegenseitiges Schubsen – aber trotzdem schön und vor allem unerlässlich.

    Vor neun Sonntagen erschien an dieser Stelle eine Kolumne, die für offene Fenster und Herzen plädierte. Aus der Achterbahn der Gefühle könne man schließlich wieder aussteigen, wenn einem übel werde. Doch ist es wirklich so einfach? Hat man denn die Wahl? Um meine rhetorischen Fragen selbst zu beantworten: Ich glaube nicht.

    Was genau Liebe eigentlich sein soll und will, ist schwer in Worte zu fassen, ohne in Floskeln zu verfallen. Sie ist schön und schrecklich zugleich, sie tut weh und trotzdem gut. Ulrich Beck, ein deutscher Soziologe, diagnostiziert dem Menschen nicht die häufig in den Raum gestellte Beziehungsunfähigkeit. Er schreibt uns vielmehr einen überhöhten Glauben an die Liebe zu – den sich nicht alle eingestehen wollen. „Wer sich sicher in der Alltäglichkeit seiner Liebe und Partnerschaft weiß, vergißt die Bedeutung, die dieser Glaube auch für ihn oder sie hat“, schreibt er. Frei nach Beck müssten wir zunächst fallen, um zu verstehen, wie weit oben wir eigentlich waren.

    Egal wer wen (zuerst) geschubst hat, fallen kann man nur zu zweit. Denn die Liebe ist kein Berg, den man alleine besteigt. Faber, ein Schweizer Sänger, der sich bestimmt mit Bergen auskennt, fasst dieses Fallen treffend zusammen, wenn er singt: „Lass mich nicht los/Lass mich nicht auf dich los.“

    Paulines Kolumne über die Liebe

    Kolumnistin Pauline

    Paradox. Warum sollte man der Person, die man liebt, etwas Schlimmes antun? Warum sollte ebendiese Person dann noch bei einem bleiben? Ich stimme meiner Vor-neun-Sonntagen-Vorrednerin zu, wenn sie sich für mehr Mut zur Verletzlichkeit ausspricht. Doch ich glaube auch, wenn wir es ernst meinen, können wir gar nicht anders, als verletzt zu werden und selbst zu verletzen. Um metaphorisch in einer Schublade zu bleiben: Der Berg ruft. Komme was wolle.

    „Liebe ist eine besondere unter den vielen Grenzerfahrungen. Anders als Krankheit und Tod wird sie erstrebt, nicht verdrängt […]“, so formuliert es Beck. Ich bin im Flachland aufgewachsen und kann die Radikalität seiner Aussage gut nachvollziehen. In der Schweiz starben bereits in den ersten drei Monaten diesen Jahres 35 Menschen an Bergunfällen. Das hält wohl niemand für romantisch oder abenteuerlich, trotzdem wird noch gewandert.

    Vielleicht lässt sich das erklären. Nur wenige Atemzüge nachdem Faber darauf hofft, dass es nicht zum (Aufeinander)loslassen kommt, bittet er: „Lass mich nicht mit mir allein.“ Wie schlimm wir auch miteinander umgehen, die Beschäftigung nur mit uns selbst würde uns auch nicht zu besseren Menschen machen. Es ist die Zweisamkeit, die beide brauchen, das Du und das Ich. Das Wir.

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