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  • Dafür steht das „Hip“ in Hipster

    Weite Jeans, bunte Hemden und Drehtabak – gegen diesen Stil hat Kolumnistin Hanna nichts einzuwenden. Sehr wohl aber gegen vorgegaukelte Toleranz und politisches Engagement aus Coolness.

    Den Filter zwischen den Lippen, das Drehzeug in der Hand und eine Mate vor sich stehend hocken sie auf dem Gehweg vorm Späti. Manche trinken Gösser, andere befüllen ihren kleinen, silbernen Flachmann behutsam mit Berliner Luft. Der Dresscode ist fest : 80ies-Jeans, weites Hemd mit bunten Mustern, runde Brille mit goldenem Rahmen und eine Mütze, die nur den Kopf, nicht aber die Ohren bedeckt. Gesellt man sich dazu und lauscht den Gesprächen, so wird es wahrscheinlich um die Planung der nächsten Soli-Party und das Verteilen von Flyern zur Aktion gegen Gentrifizierung gehen. 80 Prozent der im Kreis Sitzenden sind vermutlich vegan und 100 Prozent würden sich als politisch aktiv bezeichnen. In einem sind sich hier alle sicher: Sie sind anders. Sie wollen sich von der Masse abgrenzen und sind doch auch einfach nur ein Teil davon. Sie engagieren sich für die Sozialschwachen, für Geflüchtete und fighten for feminism. In Halbmützen-Hypezig kannst du keine Zalando-Pakete bestellen oder bei McDonald’s essen, wenn du dazu gehören willst.

    Hipster

    Auf dem Bordstein hocken und Mate trinken – das gehört zum Hipster-Dasein dazu

    Die Hipster (die sich niemals als solche bezeichnen würden) sollen tragen, was sie wollen. Sie sollen von mir aus auch noch weiter ihre Soli-Aktionen planen und sich dabei als Weltverbesserer fühlen. Ich bin froh, wenn sich Menschen engagieren und wenn dieses Engagement über ein „Gefällt mir“ für die PETA-Facebookseite und die Unterschrift der Onlinepetition gegen Braunkohle hinaus geht. Was mich stört ist, dass viele sich als ach so individuell und ach so tolerant bezeichnen und dass dieses Engagement – für was auch immer – aus Coolness geschieht. Es ist cool, anders zu denken. Es ist cool, Kapitalismus scheiße zu finden. Und es ist cool, das in jedem Gespräch möglichst oft zu betonen. Dafür steht das Hip in Hipster. Essen aus dem Container und Jeans aus der Sammelkiste an der Straße – das sind die neuen Statussymbole. Toleranz wird nicht nur großgeschrieben, sondern schmückt auch als Aufnäher die oversized Jeansjacke. Wer jedoch nicht in das Schema des Homo hipsiens passt, gehört nicht dazu. Trägst du nicht die gleichen Klamotten, sprichst du nicht mit ihrer Political Correctness und gönnst du dir zum Abendessen gern mal ein Steak – dann bist du raus. Das Wort Toleranz wirkt wie die leere Hülle des Macbook Air. Moment mal, Apple? War da nicht was von Antikapitalismus? Naja, aber die „Fight Sexism“-Sticker sehen neben dem Apfel doch so hübsch aus.

    Kolumnistin und Redakteurin Hanna Lohoff

    Kolumnistin Hanna stört es, wenn Engagement nur aus Coolness geschieht

    Wer sich die Worte Toleranz, Engagement und Feminismus fett auf die Stirn schreibt, sollte auch dafürstehen. Es gibt unendlich viele Menschen, die sich für andere einsetzen und Aktionen planen, um unsere Gesellschaft ein kleines bisschen gerechter zu gestalten, ohne es dir ständig unter die Nase zu reiben. Seid mal engagiert, plant mal Aktionen gegen Gentrifizierung und setzt mal ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung! Aber macht es, weil es verdammt noch mal richtig ist und nicht, weil alle anderen Halbmützen-Hipster das auch tun.

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