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  • Guten Hunger, Herr und Frau Fleischkonsument!

    „AGROkalypse“ zeigt längst wahr gewordene Weltendszenarien in Brasilien

    Kurzversion: Dokumentarfilm, der einen sein tägliches Stück Fleisch anders ansehen lässt. Gibt Einblicke in die Folgen des Anbaus von (vor allem) Gen-Soja in Brasilien.

    Man stelle sich den tropischen Urwald in Brasilien vor. Alte, hohe Bäume, Vogelgezwitscher, modriger Waldgeruch. Wilde Kreaturen, die wir hier nur aus dem Zoo kennen, verstecken sich hinter grünem Farn. Sonnenstrahlen bahnen sich, vorbei an saftigen Blättern, den Weg zur feuchten Erde.

    In der Realität ist das alles passé. Stattdessen erstrecken sich unendliche Felder mit Monokulturen dort, wo einst die Natur regierte. Der Soja-Anbau in Brasilien und seine dramatischen Folgen für Mensch und Umwelt sind Thema im Dokumentarfilm „AGROkalypse – Der Tag an dem das Gensoja kam“. Der Titel ist dabei keineswegs übertrieben – die hektargroßen Regionen wirken auf den Bildern wie tot. Am Montag, den 28. November, lud die Amnesty International Hochschulgruppe Leipzig zur Filmvorführung samt Gespräch mit seinem Regisseur Marco Keller ein.

    Brasilien ist neben den USA das wichtigste Soja-Anbaugebiet der Welt. Die Bohnen der Pflanzen haben einen besonders hohen Proteingehalt und werden daher als menschliches Nahrungsmittel, aber vor allem als Tierfutter verwendet. Seitdem die Nachfrage durch den sich überschlagenden Fleischkonsum stetig steigt, werden jahrhundertealte Wälder abgeholzt, Fauna und Menschen vertrieben, Böden ausgelaugt und verpestet. Um die Geschäfte rentabler zu machen, setzen immer mehr Unternehmen auf gentechnisch verändertes Soja, das resistenter gegen Krankheiten, Schädlinge und Umwelteinflüsse ist. Bei der Bestellung von Gen-Soja kann man zusätzlich die passenden Pestizide gleich mit kaufen. Diese töten alles, nur die Soja-Pflanze nicht. Die Ernte wird über den ganzen Globus verteilt, vor allem auch  in deutsche Mastviehbetriebe.

    15288436_1164020206985249_3215781959093324748_oDie Annahme, Vegetarier oder Veganer trügen zu diesen Zuständen bei, ist aber falsch. Die Rede ist nämlich nicht von Bio-Tofu & Co., sondern von den absonderlichen Massen, die in den Mägen unglücklicher Tiere und am Ende auf unseren Tellern landen. Dabei benötigt es laut Keller für 1 Kilo Fleisch ganze 12 Kilo Soja. Vom extremen Wasserverbrauch durch Anbau und Viehzucht und dem CO2-Ausstoß als Folge von Transport und Massentierhaltung ganz zu schweigen.

    Der Gen-Soja-Anbau zerstört außerdem die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung Brasiliens. Dem Film-Team ist es gelungen, auch die unmittelbaren Verlierer der Globalisierung zu porträtieren. Die Kamera gibt Einblicke ins derzeitige Leben der Guaraní-Kaiowá, einem Stammesvolk, das durch den Soja-Anbau vertrieben wurde. Mit Augenbrauenrunzeln sieht man zu, wie Kinder riesige Ameisen vom Boden auflesen, die ungenießbaren Teile abmachen und sie dann verspeisen. Die fast einzige natürliche Nahrungsgrundlage, die den eigentlich von der Nutzung des Landes lebenden Menschen heute noch bleibt. Sie sind angewiesen auf Hilfe von außen, während sie Dekaden für die Rückgewinnung ihrer Länder kämpfen. Bei diesen Kämpfen sind bereits über 280 Indios gewaltsam ums Leben gekommen, wie der Film erklärt.

    “AGROkalypse“ will aufklären und ein Bewusstsein schaffen. Es sei wichtig, diesen Menschen Hoffnung zu geben und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass auch sie gehört werden.

    Die Filmvorführung in der Schaubühne Lindenfels ist gut besucht, vor allem viele junge Leute sind gekommen. Im Anschluss an den einstündigen Dokumentarfilm wird applaudiert. Der Filmemacher Marco Keller beantwortet Fragen und berichtet von der Zwangsjacke, die sich sein Team immer wieder selbst anlegen musste: Als ausländisches Filmteam lebe man bei solch brisanten Themen immer gefährlich. Man dürfe sich nicht als Vertreter bestimmter Interessengruppen zu erkennen geben, da man sonst „schnell mal von der Bildfläche verschwinden kann“, sagt Keller.

    15288482_1164020210318582_5439461828337871770_oGesamturteil: Unbedingt ansehen, weitersagen und Konsequenzen ziehen.

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