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  • Faszination Voyeurismus

    „Girl on the Train“ besitzt beste Thrillermanieren.

    Drei Frauen die mehr verbindet als es zunächst den Anschein hat. Die Nachbarinnen Megan (Haley Bennett) und Anna (Rebecca Ferguson) leben in hübschen Häusern irgendwo in der New Yorker Vorstadt. Megan ist das Kindermädchen von Annas Tochter , ansonsten scheinen die beiden Frauen nicht viel gemeinsam zu haben. Dann gibt es da aber auch noch Rachel (Emily Blunt), das „girl on the train“, die jeden Tag mit dem Pendlerzug an deren Häusern vorbeifährt. Rachels Exmann Tom (Justin Theroux) ist jetzt mit Anna verheiratet, lebt mit ihr in dem Haus, das einst auch Rachel bewohnte und hat ein kleines Kind mit der neuen Frau. Um nicht immer das junge Familienglück ihres Exmannes sehen zu müssen, konzentriert Rachel ihre Blicke auf die scheinbar so glücklichen Nachbarn Megan und Scott (Luke Evans), denen sie eine perfekte Beziehung andichtet. Eines Tages sieht sie jedoch wie Megan einen anderen Mann küsst. Die sowieso schon mit großen Alkoholproblemen kämpfende Rachel betrinkt sich nach dem Zusammenbruch ihrer Illusion einer perfekten Beziehung so stark, dass sie sich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern kann. Kurze Zeit später erfährt sie, dass Megan spurlos verschwunden ist. Nun muss Rachel sich unbedingt erinnern, was in den vergangenen Stunden vorgefallen ist. Denn sie kann sich nicht mehr sicher sein, dass das Blut in dem sie aufgewacht ist, ihr eigenes war – außerdem  wurde sie am Tag der Tat in der Nähe von Megans Haus gesehen.

    Trotz insgesamt eher ruhiger Bilder ist der Film von der ersten Minute an fesselnd; die Faszination des Voyeurismus verwandelt sich schnell in atemlose Spannung um die Frage, ob die alkoholkranke Frau mit den Blackouts die hübsche Megan getötet hat. Der atmosphärisch, beinahe klaustrophobisch dichte Thriller bleibt immer ganz nah an den Hauptfiguren, was besonders auch durch die Kameraführung verstärkt wird. Rachels Minenspiel wird häufig mit einer extrem nahe geführten Handkamera eingefangen, was die Identifikation mit der eigentlich sehr schwierigen Protagonistin deutlich erhöht. Insgesamt ist es wohl aber vor allem Emily Blunts großartiger darstellerischer Leistung zu verdanken, dass man die verbitterte und selbstzerstörerische Rachel dennoch einfach mögen muss. Ihre Einsamkeit und Schuldgefühle treiben sie zu Dingen, die sie eigentlich nicht tun will. Um ihre Glaubwürdigkeit zurückzuerhalten muss die wichtige Zeugin des Verschwindens einer jungen Frau sich selbst aus dem Strudel von Alkohol und Selbstzerstörung befreien. Nur so hat sie eine Chance, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, sich an den Tag der Tat zu erinnern und damit vielleicht sogar ihre Unschuld zu beweisen.

    Die Buchvorlage des Thrillers ist der erst 2015 erschienene gleichnamige Roman von Paula Hawkins – mit mittlerweile über 15 Millionen verkauften Exemplaren ein internationaler Bestseller. Größter Unterschied zum Roman ist wohl die Verlegung des Schauplatzes von London nach New York.

    Regie des Thrillers führte Tate Taylor, dessen Verfilmung von „The Help“ 2011 vier Oscarnominierungen einbrachte. Taylor wird von Mitarbeitern wie Kritikern wegen seiner einfühlsamen Darstellung starker Frauenrollen geschätzt. Die Musik stammt von niemand geringerem als Danny Elfman, der bereits seit dreißig Jahren zu den gefragtesten Komponisten für Filme und Serien zählt.

    Der twistreiche Plot von „Girl on the Train“ bleibt auch nach dem Abspann noch für lange Zeit in den Gedanken kleben und lässt den Zuschauer über Alltagsvoyeurismus, Beziehungen und andere Abgründe des Lebens nachdenken. Ein wahrlich lohnenswerter Kinobesuch.

    Kinostart: 27.10.

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