• Menü
  • Film
  • Welches Leben ist es wert, gelebt zu werden?

    24 Wochen lässt den Zuschauer aufgewühlt und ratlos zurück. Und das mit voller Wucht.

    In Anne Zohra Berracheds mehrfach ausgezeichnetem Drama verschmelzen Realität und Fiktion auf unglaublich eindringliche Weise. Noch nie wurde die Thematik der Spätabtreibung im Zusammenhang mit der Chromosomenstörung Trisomie 21 in einer derartigen Intensität und Erzählkraft filmisch umgesetzt.

    Es ist schon beinahe widersinnig, ja ironisch. Astrid und Markus verdienen ihren Lebensunterhalt damit, sich über die Schwächen der Gesellschaft zu erheben und Menschen dazu zu bringen, diese auszulachen. Astrid als arglose Kabarettistin, Markus als ihr sorgender Ehemann und Manager. Um sich selbst vor Auftritten zu beruhigen, klemmt dann stets eine Zigarette hinter Astrids Ohr. Symbolisch. Wenn es mal unangenehm wird, zieht sie dran.

    Sie haben das Leben im Griff. Ein hübsches Haus im Grünen Leip24Wochen2zigs, eine kleine Tochter, die neun Jahre alt ist und sich einen Bruder wünscht. Eine stabile Liebe, eine Beziehung auf Augenhöhe, und das nächste Kind ist unterwegs. Während einer Schwangerschafts-Routineuntersuchung erhält das Paar die Diagnose. Ihr Sohn wird nicht gesund zur Welt kommen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach das Down-Syndrom haben. Zunächst ist ganz klar, dass das ihre Entscheidung, ein zweites Kind zu bekommen, nicht verändern wird. Gemeinsam mit Astrids Mutter Beate, Freunden und Bekannten der Familie wird das Leben mit einem behinderten Kind zu stemmen sein, denken sie. Es folgen kräftezehrende Wochen, in denen Unsicherheit, Hoffnung und Zweifel um sich greifen und das Zusammenleben vergiften.

    Dass die immensen Fortschritte der Medizin auf dem Gebiet der Pränataldiagnostik den Zustand eines Fötus in solch exakter Genauigkeit feststellbar machen, wird dem Paar zum Verhängnis. Je mehr Informationen die Beiden zu Risiken und Konsequenzen der Fehlbildung erhalten, desto mehr erschwert sich ihre Situation. Würden Astrid und Markus eine Abtreibung jemals verarbeiten? Könnte das Kind vielleicht einmal ein erfülltes Leben führen?

    Das Besonde24Wochen3re an 24 Wochen ist, dass tatsächlich praktizierende Ärzte und Hebammen sich selbst darstellen. So erhält der Film eine Authentizität und Überzeugungskraft, die Ihresgleichen sucht. Hinter dem Werk steckt eine intensive, detailgetreue und tiefschürfende Recherche. Es wird für keine der infrage kommenden Optionen Partei ergriffen. Der Konflikt wird in all seiner prekären Beschaffenheit auf die Leinwand gebracht. Julia Jentsch und Bjarne Mädel überzeugen, ebenso wie die Nebendarsteller, durch ihre sensible und unverfälschte Darbietung.

    „Unmittelbar vor dem Dreh habe ich weder mit den Darstellern noch mit den Laien geprobt, weil mich oft der erste, unverbrauchte Moment interessiert“, wie die Regisseurin die Arbeit am Projekt selbst beschreibt. Obgleich die Geschichte fiktiv ist, sie könnte sich auf diese Weise zugetragen haben. Die tiefe Traurigkeit und das Gefühl der Überforderung, welche der Film erzeugt, sind real.

    24 Wochen – Ein ergreifender Film über die schwierigste Entscheidung, welche zum Schluss nur ein Mensch treffen darf.

    Kinostart: 22. September

    Bilder: Neue Visionen Filmverleih

    Hochschuljournalismus wie dieser ist teuer. Dementsprechend schwierig ist es, eine unabhängige, ehrenamtlich betriebene Zeitung am Leben zu halten. Wir brauchen also eure Unterstützung: Schon für den Preis eines veganen Gerichts in der Mensa könnt ihr unabhängigen, jungen Journalismus für Studierende, Hochschulangehörige und alle anderen Leipziger*innen auf Steady unterstützen. Wir freuen uns über jeden Euro, der dazu beiträgt, luhze erscheinen zu lassen.