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  • Spiel mit der Platte

    Leipziger Stadtteil Grünau feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen.

    Die „Platte“ hat heute einen eher negativen Beigeschmack. Der über­­steigerte Wunsch nach Individualität lässt sich nicht vereinbaren mit der Uniformität der Großwohnsiedlungen der 1970er und 80er Jahre. Einheitlichkeit ist gleichzusetzen mit Eintönigkeit. Jedoch hat sich die Bauweise der Plattenbautechnik nicht ohne Grund durchgesetzt, wurde sogar zur anerkannten Architektur.
    Leipzigs Großwohnsiedlung Grünau feiert 2016 ihr 40-jähriges Bestehen. Neben Berlin-Marzahn und Halle-Neustadt stellte sie eine der größten Plattenbausiedlungen der DDR dar, heute noch immer die größte Sachsens.
    Am 1. Juni 1976 wurde der Grundstein gelegt. Geplant waren insgesamt acht Wohnkomplexe mit 36.000 Wohnungen. Nach der Fertigstellung hatte Grünau 85.000 Einwohner, was den historischen Höchststand markiert. Der Plattenbau setzte sich in der DDR vor allem aus pragmatischen Gründen durch: Der Wohnungsmangel im Nach­kriegsdeutschland konnte so zügig beseitigt werden.
    Während viel Geld in die Errichtung der Großwohnsiedlungen gesteckt wurde, ver­nach­lässigte man jedoch den his­torischen Stadtkern Leipzigs, der unrenoviert blieb. Platten­bauten er­freuten sich zu ihrer Ent­stehungszeit großer Beliebtheit. Sie boten standardisierten Komfort, warmes und kaltes Wasser, eine Toilette und Badewanne in der Wohnung sowie Zentralheizung. Heute instrumentalisiert man die Platte für die DDR-Kritik, obwohl sie nicht nur ein deutschlandweites, sondern ein internationales Phänomen ist. Seit 1990 sinkt die Bewohnerzahl in Grünau stetig. 2008 war es nur noch die Hälfte, wobei die Abwanderung in den Westen eine der Hauptursachen darstellt. Doch haben die letzten Jahre gezeigt, welchen Einfluss der Leipzig-Hype auf Mieten und Hauspreise hat: bei der Suche nach Wohnraum wird es nicht mehr lange dauern, bis man sich Grünau wieder zuwendet. Schließlich herrscht dort ein Wohnungsleerstand von etwa 20 Prozent.

    Festivalzentrale in der Stuttgarter Allee 4 Foto: Julia Debus

    Festivalzentrale in der Stuttgarter Allee 4 Foto: Julia Debus

    Vom 17. Juni bis 31. Juli findet in Grünau das internationale Festival „Raster:Beton“ statt. Die Initiatoren des „Kunstraum D21“ aus der Demmeringsraße 21 wollen dabei Großwohnsiedlungen aus der Perspektive zeitgenössischer Kunst betrachten. Das Jubiläum sei „ein idealer Zeitpunkt, sich der Platte als ästhetisches und konstruktives Element, als Wohnraum und Symbol und ihren sozialen und politischen Zuschreibungen und Zukunftspotentialen in einer wachsenden Stadt wie Leipzig zu widmen“, heißt es auf der Homepage. Vier Elemente sollen sich mit verschiedenen Fragen rund um das Leben in Großwohnsiedlungen beschäftigen: Im Kunstraum D21 zeigt eine Ausstellung künstlerische Positionen zur Thematik aus Deutschland und Frankreich. Verschiedene Künst­ler arbeiten in einem zweimonatigen Aufenthalt gemeinsam mit den Bewohnern vor Ort, um sich Grü­nau aus einer anderen, künst­lerischen Perspektive zu er­schließen. Zudem führt ein in­terdisziplinäres Symposium Be­wohner, Künstler, lokale In­itiativen und Referenten zu­sammen. Abgerundet wird das Festival unter anderem durch Stadtspaziergänge und Filmvorführungen.
    Ziel ist es, eine Antwort auf die vielen Fragen zu bekommen, die das Festival stellt: „Wie entsteht aus einem Platz, der scheinbar ohne Tradition ist, ein identitätsstiftender Ort? Wie eignen sich die Bewohner ein solches Viertel an? Wo findet sich Individualität im Massenwohnungsbau?“ Das Festi­val bietet die Chance, nicht nur die Existenz, sondern auch die Möglichkeiten Grünaus in Erinnerung zu rufen.

    Programminfos gibt es unter: www.raster-beton.de

     

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    Titelfoto: Daniel Theiler

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