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  • Jesus zieht in den Osten ein

    Der 100. Katholikentag findet in Leipzig statt.

    „Seht, da ist der Mensch“ ist das Motto des diesjährigen Katholikentages in Leipzig. Vom 25. bis zum 29. Mai steht das Individuum „Mensch“ im Mittelpunkt des christlichen Großevents. An vier Tagen können die Besucher aus der gesamten Bundesrepublik neben Gottesdiensten und christlich geprägten Veranstaltungen, auch Podiumsdiskussionen zu gesellschaftlichen Themen oder kulturelle Angebote besuchen. Die Messestadt ist in diesem Jahr der Austragungsort des 100. Katholikentages. Zur Eröffnung wird Bundespräsident Joachim Gauck erwartet.

    Zum ersten Mal fand der Katholikentag 1848 in Mainz statt. Seitdem veranstaltet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) alle zwei Jahre dieses Fest. Unterstützt wird es jedes Mal von einer anderen Stadt und dem jeweiligen Bistum. 2016 ist neben Leipzig auch das Bistum Dresden-Meißen Schauplatz für die 50.000 erwarteten Besucher. Neben den rund 30.000 Dauerteilnehmenden hoffen die Veranstalter an einzelnen Tagen auf etwa 20.000 weitere Gäste.

    Jedoch sei das schwer abzusehen, denn: „Dieser Katholikentag ist anders“, reklamiert die Katholikentagsleitung bereits im Voraus im Programmheft. Martin Stauch, der die Geschäftsstelle vor Ort leitet, spricht von der „Sondersituation Leipzigs“. Mit rund 74 Prozent ist der Anteil der Konfessionslosen in Sachsen besonders hoch. Noch unter vier Prozent liegt dabei der Anteil an Katholiken. Kritik, ob Leipzig in dieser Situation der richtige Ausrichtungsort sei, wurde bereits im Voraus laut. (student! berichtete im November 2014) „Wir wollen mit der besonderen Situation in Leipzig umgehen und uns dieser stellen“, bekundet Stauch.

    Im diesjährigen Programm seien deshalb Themenbereiche wie „Leben mit und ohne Gott“ und „Dialog mit Wissenschaft und Recht“ neu. Hier soll auf Podien und in Werkstätten das Gespräch zwischen „religiös Gebundenen und an Gott Glaubenden“ stattfinden. Aktuelle Themen wie Organspende, Sterbehilfe und die neuen Technologien in der Forpflanzungsmedizin stehen dort auf dem Programm. Weitere Themenbereiche aus den vergangenen Jahren sind wiederholt in den über 1.200 Veranstaltungen vertreten. „Es wird darauf geachtet, was sich bewährt hat und wo man nochmal einen neuen Akzent setzen muss“, erläutert der Geschäftsführer. Einen besonderen Akzent setzt dabei seit mehren Jahrzehnten der interreligiöse Diskurs. Neben „Wie leben Muslime im Alltag?“, wird im „Christlich-Jüdischen Dialog“ auch das Leben der „Juden in Leipzig“ vorgestellt.

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    Ein zentraler Ort des Katholikentags ist die Probsteikirche am Innenstadtring

    Nicht erst in Leipzig spielt auch die Ökumene eine tragende Rolle für den Katholikentag. Nicht nur gemeinsame Gottesdienste, sondern auch die gegenseitige Nutzung der Kirchenhäuser, wie die Thomaskirche, stehen stellvertretend für das Miteinander.

    Ein Ort des Zusammentreffens soll in diesen Tagen auch die Katholische Studentengemeinde (KSG) sein. Am Floßplatz 32 kann mit Studenten gebetet, musiziert oder diskutiert werden. Neben dem morgendlichen Gebet in der Hauskapelle oder dem „Kirchen(t)räume – Café der Begegnung“, stellt sich die Studentengruppe mit Gesprächen und Workshops ebenfalls dem gesellschaftlichen Diskurs. Zusammen mit den Leipzigern beteiligen sich auch die Katholischen Studentengemeinden aus Halle und Berlin am Programm.

    Bei der Koordination haben die 46 hauptamtlichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle besonders darauf geachtet, dass die Veranstaltungsstätten möglichst schnell erreichbar sind. Mit dem Augustusplatz im Zentrum finden auch viele Angebote um den Ring statt, etwa in der Kongresshalle am Zoo.

    „Unsere Stadt steht für Weltoffenheit, Bildung, Kultur und Lebensfreude – beste Voraussetzungen für einen Katholikentag in einer Zeit außergewöhnlicher Herausforderungen an die humanistischen Potenziale unserer Gesellschaft“, stellt Oberbürgermeister Burkhardt Jung (SPD) fest. Doch auch wenn der Katholikentag für sich den Dialog und dass Bild einer offenen katholischen Kirche vermitteln möchte, gibt es weiterhin Kritik an der Großveranstaltung. Laut der Leipziger Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann (Piratenpartei) versuche der Katholikentag zu missionieren. Vor allem aber ist sie gegen die finanzielle Unterstützung durch die Stadt.

    Martin Stauch sieht diese Bedenken nicht gerechtfertigt: „Nach unseren Berechnungen findet jeder investierte Euro neunfachen Ertrag.“ Die Vorwürfe, der Katholikentag leiste Missionarsarbeit, weist der Geschäftsführer klar zurück: „Wir wollen ein offenes Angebot machen.“ 40 Veranstaltungen zum Thema Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und zur aktuellen Flüchtlingssituation würden stellvertretend dafür stehen. Stauch sieht im Katholikentag die Chance, etwas gegen das fremdenfeindliche Bild Sachsens zu tun. Dass es nicht nur bei leeren Worten bleibt, zeige der Vorsatz, die Kollekte der vier Tage an die Leipziger Institutionen „Flüchtlingsrat e.V.“ und „Straßenkinder e.V.“ zu spenden.

    Mit der Initiative „Klimaneutraler Katholikentag“ setzt die Kirchenveranstaltung ein Mal mehr einen Akzent gegen das Bild der verstaubten und konservativen Einstellung. Verstärkt sollen regionale und lokale Unternehmen unterstützt werden. Geleitet von den Gedanken des Papstes in seiner Umweltenzyklika „Laudato Si“ soll auch der Klimaschutz in Deutschland Thema in der Programmvielfalt des Bereiches „Globale Verantwortung“ sein. Der Katholikentag wird in etwa 1.000 Tonnen CO2 verursachen, die es zu vermeiden und zu reduzieren gelte.

    Ein Fest des Miteinanders soll es werden. Mit der Initiative „Gast sucht Rast“ wurde seit Februar noch nach rund 4.000 Privatquartieren in Leipzig gesucht. Doch knapp vier Wochen vor Beginn des Events wurde bekannt, dass diese Zahl nicht erreicht werden könne. Lediglich 2.500 Behausungen wurden gefunden, wonach nun Unterkünfte zum Einsatz kommen, die ursprünglich für Geflüchtete gedacht, aber bisher nicht gebraucht wurden.

     

    Das gesamte Programm des Katholikentags 2016 findet ihr hier.

    Das Programm der Katholischen Studentengemeinde zum Katholikentag findet ihr hier.

    Fotos: Elisabeth Platzer

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